- 26.09.2012

Ein Hochamt gegen den Konsumwahn

Reverend Billy rief am Sonntag im Grazer ≥Marathon-Camp„ zur Umkehr auf ˆ Protest mit dem Busen



Das Ende ist nah, und das ist auch eine Chance für uns alle. Das behauptet einer, der da im weißen Anzug gegen den Kapitalismus predigt und singt, sich Reverend Billy nennt und gemeinsam mit ≥The Church of Stopping Shopping„ am Sonntag eine fulminante Messe beim ≥Marathon-Camp„ im steirischen herbst zelebrierte. Gospelchöre und ein Gebet über das gewöhnliche Leben inklusive. Reverend Billy rief zur Aktivität, zur Umkehr auf: ≥Earthalujah„.

Aus Konsumenten mündige Bürger machen: So lautet die inhaltliche Stoßrichtung des 62-jährigen amerikanischen Aktivisten und Aktionskünstlers Bill Talen vulgo Reverend Billy. In seiner augenzwinkernden Rede beschwor der Erweckungsprediger Redefreiheit und die Freiheit der Presse, prangerte Klimaveränderungen an, wunderte sich über das Grazer ≥Hotel Mariahilf„ und über die wahrlich apokalyptische Unterwäschereklame in Österreich. In das Hochamt jenes Mannes, der die Sitten und Gebräuche populärer US-Fernsehprediger grandios persifliert, mischen sich immer wieder Sympathiebekundungen für Initiativen wie WikiLeaks oder die ≥Occupy„-Bewegung. ≥I am John Wayne, I am Georg Bush„, ruft der Kämpfer gegen die hemmungslose Ökonomisierung aller Lebensbereiche ins Mikrofon und schüttelt seine Hüften: Amen! Das Grazer Publikum geht mit dem Virtuosen des politischen Entertainments mit und erzwingt eine Zugabe: Ein Höhepunkt im herbst-Camp.

Bereits am Samstag informierte ebendort die mit ihrer eigenen Nacktheit agierende und agitierende ukrainische Feministinnengruppe Femen über ihre Intentionen. Seit 2010 benutzen die Aktivistinnen die Medienwelt und werden von dieser bisweilen auch benutzt. ≥Die Männerwelt schaut auf Busen, also geben wir ihr das, was sie braucht„, sagen Sasha und Inna Shevtchenko. Ihr Anprangern von gesellschaftlichen, politischen Missständen durch entblößte Oberkörper sei ein neuer, zeitgemäßer Feminismus.

≥The Pinky Show„ aus Amerika verbreitet unterdrückte Informationen. Liebliche Katzenfiguren machen in Filmen und in Comics auf Missstände aufmerksam, egal ob die Unterdrückung von Ureinwohnern oder kolonialistische Tendenzen der USA. Das ist ein (auch humorvolles) Bildungsprogramm für all jene, die sich nicht damit abfinden wollen, gleichgeschaltet zu sein.

Das seit Freitagmittag geöffnete Camp hat sich bisher bestens bewährt, die vom Dramaturgen Florian Malzacher (≥Extreme Zeiten verlangen eben extreme Methoden„) mitkuratierte Veranstaltung bringt internationales Flair und eine Unmenge an Informationen und Inspirationen nach Graz.


Martin Behr
wukonig.com