Salzburger Nachrichten - 10.10.2012

Radikale Körperarbeit

Doris Uhlich Choreografin, Tänzerin



Mit Produktionen, in denen sie medial transportierte Schönheits- und Körperideale auf kritisch-ironische Weise hinterfragt, hat sie sich in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Bisweilen zwischen Performance und Tanzstück pendelnd, stellt die 35-jährige Oberösterreicherin Doris Uhlich nicht selten die im Betriebssystem Tanz/Ballett gängigen Klischees zur Diskussion. Mit der Uraufführung ihres Stücks ≥Come Back„ hat die Choreografin und Tänzerin dem heurigen ≥steirischen herbst„ einen fulminanten, bewegenden Nachdenkabend über das Phänomen der Vergänglichkeit beschert.

In ihren ersten Arbeiten ab 2006 wie ≥insert.eins/eskapade„ oder ≥00331452553201„ näherte sich Uhlich über Körperarbeit der aus alten Filmen bekannten Starkult-Gestik an. Sie lud ältere Laiendarsteller zur Mitarbeit ein und präsentierte sich selbst in schonungsloser Nacktheit. Später (2008) setzte sich die Künstlerin, die Pädagogik für modernen Tanz studiert hat, mit dem klassischen Tanz, seinen Akteuren, Träumen und Illusionswelten auseinander: ≥Spitze„. Radikaler (eigener) Körpereinsatz und unkonventionelle Zugänge zu Themen, die ihrem Berufsumfeld beziehungsweise dem Alltag entsprungen sind, prägen Doris Uhlichs künstlerisches Vokabular.

In ≥Come Back„ steht sie nicht selbst auf der Bühne, sondern erzählt über fünf ehemalige Balletttänzer eine Geschichte, die von starren Regeln eines Systems, von Aus- und Aufbruchswünschen und anderen Zukunftsplänen handelt. Es spricht für Doris Uhlich, dass sie für ihr Vorhaben Marialuise Jaska, Susanne Kirnbauer, Percy Kofranek, Renate Loucky und Violetta Springnagel-Storch gewinnen konnte. Ehemalige Spitzentänzer präsentieren ihre immer noch trainierten, aber eben faltiger gewordenen Körper, reflektieren in eingespielten Interviews über ihre Gedanken aus einer Zeit, in der noch regelmäßig Applaus aufgebrandet ist. In der man auch nicht nur innerhalb des Ensembles mit einer Revolution geliebäugelt hat. ≥Innerlich ist jeder ein Solist„, heißt es einmal.

Die in Wien lebende Doris Uhlich will mit ≥Come Back„ fragen ≥was oder wer einen formt und geformt hat„. Bei den Vorarbeiten sei eine Art ≥futuristische Archäologie„ betrieben worden, sagt sie: ≥Eine Suche nach den Spuren, die die Balletthierarchie und ihre strenge Körpertechnik hinterlassen haben.„ In ihrer Inszenierung ist ≥A Girl Like You„ von Edwyn Collins zu hören, zu Punkklängen wird ein artifizieller Pogo getanzt. Uhlich belässt ihren Akteuren eine milde, selbstironische Distanz zum eigenen Schicksal: eine bemerkenswerte Aufführung einer bemerkenswerten Künstlerin.


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