- 03.10.2012

Turnschuhe statt Spitze

Die Wiener Choreografin Doris Uhlich holt vier pensionierte Balletttänzerinnen und einen Tänzer für ≥Come Back„ zurück auf die Bühne.



Susanne Kirnbauer lässt sich auf die Sitzbank des Café Museum am Wiener Karlsplatz plumpsen und ordert einen weißen Spritzer. ≥Das habe ich ja lange nicht dürfen„, sagt die pensionierte Primaballerina.

Während die Aufsässigen 1968 draußen den gesellschaftlichen Umbruch probten, trainierte Kirnbauer drinnen an der Stange Körperbeherrschung, Haltung oder Disziplin. Ab 1972 war die Wienerin Erste Solotänzerin an der Staatsoper, stand in allen Klassikern von ≥Schwanensee„ bis ≥Romeo und Julia„ an und auf der Spitze. Später dirigierte sie als Chefchoreografin das Ballett an der Volksoper.

Unlängst ist die Primaballerina i. R., die mit dem Hans der legendären Friseurbrüder Bundy eine Tochter hat, 70 geworden. Und das sieht man ihr so überhaupt nicht an. Nun hat sich Kirnbauer mit Kollegen, die ebenfalls Staatsopern-Vergangenheit haben, auf für alle fremdes Parkett begeben: Marialuise Jaska (Solotänzerin), Renate Loucky und Violetta Springnagel-Storch (Corps de ballet) sowie Percy Kofranek (Tänzer, Volksoper) ˆ zwischen 56 und 70 Jahre alt ˆ haben sich mit ihr auf eine der ungewöhnlichsten Choreografinnen und Körperforscherinnen der Gegenwart eingelassen: auf Doris Uhlich.

Für den steirischen herbst bringt die 35-Jährige in Koproduktion mit anderen Tanzhäusern und -festivals in St. Pölten, Wien, Frankfurt, Rotterdam und Göteborg das Projekt ≥Come Back„ auf die Bühne: mit Angehörigen einer Berufssparte, in der 40 als hohes Pensionsalter gilt.

≥Welche Spuren hinterlassen Biografien an Körpern? Welche Kräfte liegen in diesen Körpern brach?„, hinterfragt Uhlich. Statt Schweben und Stille stehen nun Stampfen und Lautsein auf dem Programm. Statt Spitzenschuhe gibt‚s Turnschuhe. Statt Püppchen ≥Charakterrollen.„

Bereits in vorangegangenen Tanzperformances hat Uhlich gegen genormte Körper rebelliert. In der Produktion ≥Spitze„ war Kirnbauer ebenfalls schon mit dabei. Gelernt habe sie unter Uhlich viel: das Experimentieren, ein Arbeiten abseits strenger Hierarchien, ehrliches Einlassen auf den Körper. ≥Was habe ich noch für Möglichkeiten? Was kann ich noch lernen?„: Diese Fragen haben auch Percy Kofranek interessiert. Denn mit Uhlich prallen auch klassische Ballettwelten auf performativen, zeitgenössischen Tanz. Und Nachhilfeunterricht für die Ohren gab‚s auch ˆ Bob Dylan, Beatles, Sex Pistols. Mit ≥Come Back„ erobert das Quintett also nicht nur die Bühne neu für sich, sondern auch ein Stück (Musik-)Revolution.

Come Back. 5. bis 7. Oktober, 19.30 Uhr, Mumuth, Graz. Karten: Tel. (0 31 6) 81 60 70. www.steirischerherbst.at

HERBST-URAUFFÜHRUNG


JULIA SCHAFFERHOFER
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