Kronen Zeitung - 08.10.2012

herbst notizen



Die bewusst hochgeschraubte Dichte im Ablauf des ORF-"musikprotokoll" im "steirischen herbst" erzeugt Reibung, regt Fragen an. Deren brennendste am dritten Abend: Warum nur konnte das Weltklasse-Solistenensemble des Klangforum Wien mit vier durchwegs interessanten, kompositorisch und wiedergabetechnisch höchst aufwendigen Werken nicht so viel Resonanz (bei mir) auslösen wie später das scheinbar unbekümmerte Trio Trapist? (Schlagzeuger Martin Brandlmayr, E-Gitarrist Martin Siewert und Kontrabassist Joe Williams lieferten ein rock- und jazzhistorisch inspiriertes, zwischen subtiler Klangforschung und grandioser Feedback-Geste frei ausschwingendes Avantgarde-Set.)

Die Identität von Komponist und Interpret ist - angesichts überwältigender Klassik-Einspielungen - eine unbefriedigende Erklärung. Wenn man schon - so, wie es an diesem Abend Sabine Sanio (anhand von John Cage) und Julia Gerlach (anhand der Kombinatorik) jeweils anregend taten - über den Kontext von Kunst als entscheidende Größe redet, muss man auch sehen, dass die einzige Konstante der Mensch ist, als Produzent und Rezipient. Menschen, die auf der Bühne Selbstgeschaffenes mit Überzeugung darbringen, die all dem (akademisch) Erlernten eine durchseelte, individualisierte Form abringen, fesseln (meinereinen) einfach stärker als ein geniales Ensemble beim milimetergenauen Abspielen einer hochkomplexen Partitur.


Matthias Wagner
wukonig.com