Kronen Zeitung - 20.09.2012

Wo der Schrank von Oma landet

Graz: "raumlaborberlin"-Architekten schaffen Räume für den "steirischen herbst"



"So können wir nicht weitermachen." Die Architektengruppe "raumlaborberlin" verpflichtet sich der Umwelt und setzt beim "steirischen herbst" auf gebrauchte Materialien. Herausforderung ist das 7 Tage/24 Stunden-Camp, das am Freitag, 21. September, startet.

Bierkisten, alte Paletten und abgewetzte Vorhänge: Das sind die Zutaten, mit denen "raumlaborberlin" Himmelbetten baut. Die deutsche Architektengruppe gestaltet nach dem Festivalzentrum im Joanneum 2008 auch heuer das Gelände für den "steirischen herbst" - rund um die Grazer Thalia. Dabei hat sie sich ganz SONJA RADKOHLder Vergänglichkeit verschrieben. Benjamin Foerster-Baldenius von "raumlaborberlin" erklärt: "Wir experimentieren mit Resten und Hinterlassenschaften der Gesellschaft, die wir temporär nutzen."

So lebt das gesamte Festivalgelände von ausgemusterten Möbeln: Der Eingangsbereich ist eine Collage aus Türen alter Kästen und Nachttischchen und bei der Kasse gleicht keine Schublade der anderen. "Solche Dinge kennen die Teilnehmer - und sei es aus dem Schlafzimmer der Großmutter", lacht Foerster-Baldenius. Genug Einrichtungsgegenstände hat das Trio aber noch nicht. "Diese Räume verschlingen alte Möbel wie wilde Tiere!", meint der Architekt und ruft gleichzeitig auf, Schränke und Tische bei der Thalia zu spenden.

All das benötigen die Planer für ihre Hauptaufgabe in diesem Jahr: Sie kreieren Räume, die sich den Bedürfnissen der Besucher zu jeder denkbaren Zeit anpassen. Denn der "steirische herbst" startet morgen mit einem Marathon-Camp, das eine ganze Woche, 24 Stunden am Tag andauern wird. In "White Box" und "Black Cube" wird schließlich der Tag zur Nacht und umgekehrt, wenn auf der dunklen Bühne gespielt oder bei hellem Licht über das Hauptthema "Die Wahrheit ist konkret" diskutiert wird. Indiz für das Durcheinanderkommen der Zeiten sind die Betten, die mitten im Zuschauerraum, aber auch direkt auf der Bühne zum Krafttanken einladen.

Alle, die nicht am "herbst" teilnehmen, werden das Gelände auch von Weitem erkennen: Der Turm "Bloghaus" ist aus alten Fenstern gezimmert und thront als Repräsentant des Festivals direkt vor der Thalia. Von diesem wird Radio Helsinki senden - somit steht der Turm für die beiden Medien Blog und Radio, die den "herbst" nach außen tragen. Und obwohl bereits die finalen Bauarbeiten laufen, ist nichts fixiert. Die Architekten, aber auch die Teilnehmer selbst werden die Räume auch währenddessen optimieren. Foerster-Baldenius dazu: "Möbel sind nicht immobil - jeder kann sie nach seinem Belieben umdrapieren."


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