Kronen Zeitung - 08.10.2012

Wechselspiel der Formate

Eröffnung des ORF-"musikprotokolls" im "steirischen herbst"



Wie verändert der Kontext die Kunst? Das fragt das "musikprotokoll" an diesem "herbst"-Wochenende. Der Eröffnungsabend in und rund um die Grazer Thalia beinhaltete eine Fülle von Musizierhaltungen, die aus unterschiedlichsten Kontexten heraus entstanden sind: ein kurzweiliger Streifzug durchs Zeitgenössische.

Programmkurator Christian Scheib verwendet am liebsten das Beispiel der Stille, um das "musikprotokoll"-Thema zu erläutern. Stille kann unangenehm, bedrohlich, entspannend sein oder auch einen melodramatischen Höhepunkt markieren: je nach Kontext.

"dieb13" alias Dieter Kovacic vollführt den Prozess, Musik aus ihrem Kontext zuMARTIN GASSERnehmen, und in einen neuen zu setzten in seiner Installation "Cage stehlen" im Bloghouse. Seine Bearbeitung von John Cages "Indeterminacy" lädt den Besucher ein, selbst Hand anzulegen: "Ich möchte damit den Werkcharakter befragen, ob das Resultat nun ein Stück von Cage, dieb13 oder des jeweiligen Benutzers ist."

Anke Eckardts kreierte für ihre Installation "Between / You / And / Me" dagegen eine räumlich scharf abgrenzte Soundwand: eine akustische Grenze durch einen Raum, deren technische Umsetzung irritierenderweise auf militärischem Know-How basiert.

Der ständige Wechsel der Formate (Installation, Kurzvortrag, Konzert, Performance) im Ablauf des heurigen Festivals führt naturgemäß dazu, Formate an sich in Frage zu stellen. Im musikalischen Reigen der Eröffnung sah das tradierte Konzept E-Musik-Konzert im Vergleich zu den Performances von Künstlern aus anderen Avantgarde-Kontexten alt aus. Während bei den uraufgeführten Kompositionen fürs Cantus Ensemble fast schon reaktionäre, mitunter harmlos pittoreske Arbeiten dominierten, sorgten Christof Kurzmann und Leonel Kaplan für einen ersten Höhepunkt: ein reduziertes Set, das die Materialität von Klang elegant vorführte, eine Performance von hoher Innenspannung.


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