Kronen Zeitung - 03.10.2012

Die Frage nach dem Kontext



Dass derselbe Ton einmal "gis", dann wieder "as" genannt wird, ist eine der Seltsamkeiten der Musiktheorie. Dem "musikprotokoll" dient diese "enharmonische Verwechslung" als Metapher, um unter diesem Motto Musik und ihre Kontexte zu beleuchten. Vom klingenden Lichtschwert bis zur Pfeifsprache auf den Kanaren.

Die Ureinwohner der kanarischen Inseln haben eine Pfeifsprache entwickelt, mit der sie sich in der von Schluchten durchzogenen Landschaft über viele Kilometer verständigen konnten. Die Sprache gehört heute zum Weltkulturerbe und wird auf La Gomera in der Schule unterrichtet. Heimo Lattner widmet dem Phänomen in "The Silbradores" eine Performance.

Dieses ungewöhnliche Projekt ist typisch für das "musikprotokoll" 2012. Noch nie haben die Festivalgestalter Christian Scheib und Susanna Niedermayr das Terrain des klassischen Konzertbetriebs so deutlich verlassen wie heuer. Performances, Konzerte, Vorträge, Diskussionen wechseln an den vier Festivaltagen mitunter im 30-Minuten-Takt ab. Die Umstrukturierung zeigt sich auch in der Ortswahl: Nicht Stefaniensaal und List-Halle, sondern das Festival-Camp des "steirischen herbst" wird zum Schauplatz. Dass "steirischer herbst" und "musikprotokoll" damit räumlich zusammenrücken, freut Veronica Kaup-Hasler. Darüberhinaus gibt es dieses Mal auch eine starke thematische Verknüpfung, denn in der Frage nach den Kontexten von Musik schwingt naturgemäß die Frage nach der gesellschaftspolitischen Relevanz von Kunst von vornherein mit.

Klangforum Wien, Arditti Quartet, Ensemble Zeitfluss, Trapist, Daniel Lercher (mit einer Messvertonung), "pole", Reni und Jogi Hofmüller und viele andere finden sich im dichten Programm. Neben "herbst" und Radio Steiermark ist auch Ö 1 Koproduktionspartner, was sich in nicht weniger als 15 Sendungen (live und zeitversetzt) niederschlagen wird.


Martin Gasser
wukonig.com