- 23.09.2012

Kampf dem Klischee

Kleine Zeitung



Die Wogen in der islamischen Welt gehen derzeit weltweit hoch. Wieder einmal. Und mitten in dieser Zeit bastelt man in Graz an einer Image-Kampagne für Europas Muslime. Wie kommt das an?TEXT: JULIA SCHAFFERHOFER, FOTOS: SABINE HOFFMANN

Das Plakat steht mittendrin am Griesplatz. Unkommentiert. Ein Mann mit Bart hebt seine Hände nach oben, wie zum Gebet. Sein Gesichtsausdruck ist flehend. Der Slogan dazu: ≥Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert.„ Das Zitat stammt von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Oktober 2010. Es folgte: eine heftige Integrationsdebatte.

Dana Yahalomi, israelische Performancekünstlerin, hat das Zitat genommen und es mit diesem Sujet bei der Biennale in Berlin plakatiert. Derzeit macht das Projekt ≥Rebranding European Muslims„ (siehe rechts) in Graz Station. Das Plakat hängt ˆ neben dem Griesplatz ˆ auch am Lend- und Mariahilferplatz sowie bei der Thalia. Das Plakat ist erst der Anfang. Gesucht wird eine PR-Kampagne über Muslime in Europa. Drei Agenturen basteln für den ≥steirischen herbst„ an einem neuen Image. Am Freitag werden die Entwürfe gelüftet (siehe rechts).

Der Islam macht seit Wochen Schlagzeilen. Tag für Tag. Seit dem aufgetauchten Anti-Islam-Video aus den USA sind die Wogen hochgegangen. Wieder einmal. Es folgte: weltweiter Aufruhr und blutige Proteste in Kairo, Casablanca, Tunis, Bengasi oder Sanaa.

Global und lokal

Ist das Image des Islam noch zu retten? Wie geht es Muslimen in Europa, wie den 20.000 in Graz? Wie werden sie gesehen, wie verurteilt? Wie sehr spielt der arabische Aufruhr hier eine Rolle? Und was passiert wirklich, wenn PR-Agenturen das Image der Muslime polieren wie jenes von Gesichtscremes oder Autos? Kann sich eine öffentliche Meinung dadurch ändern? Das sind globale Fragen mit lokalen Auswirkungen. Wo doch die österreichisch-ungarische Monarchie vor 100 Jahren erstmals den Islam als Religion anerkannt hat.

Lokalaugenschein am Griesplatz. Der Morgenverkehr steht und staut, Radfahrer treten querfeldein, scharfe Messer säbeln Kebabfleisch ab. Wir fragen die Leute, was sie von dem Plakat halten (siehe oben). ≥Der betet, oder?„, fragt ein Kebabladenbesitzer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. ≥Wenn Sie über den Glauben reden wollen, müssen Sie in ein Gebetshaus gehen!„ Und: ≥Wissen Sie, ich bin auch Moslem ˆ obwohl mein Bart kurz ist und ich im Ramadan nicht streng faste. Das ist doch nicht interessant für die Zeitung, oder?„

Doch! Denn mit diesen wenigen Sätzen umreißt der Mann, der seit 25 Jahren in Graz lebt und dessen Tochter Medizin studiert, das Thema. Die Muslime gibt es genauso wenig wie die Grazer. ≥Wir sind keine Bedrohung, sondern produktiver Teil einer Gesellschaft„, sagt Mahdi Mekic. Über die aktuellen Unruhen sagt er: ≥Es ist keine Lösung, auf schlimme Taten mit noch schlimmeren Taten zu antworten.„

Selbstverständlich

Welches Bild wünschen sich Grazer Muslime, dass man von ihnen hat? Tenor: Ein positives. ≥Dass ein Bild der Selbstverständlichkeit kommuniziert wird und wir im Alltag präsent sind„, so Helga Suleiman, die in der Erwachsenenbildung tätig ist.

Künstlerin Yahalomi betont, auf stereotype Symbole wie Kopftuch oder Minarett wolle man verzichten. Ihr Eindruck über die Situation in Graz: ≥Es ist ziemlich ruhig hier, ich spüre fast keine Aggressionen.„ Was passieren müsste: ≥Es bedarf einer Änderung der Einstellung der Europäer zu Muslimen ˆ und nicht nur umgekehrt„, sagt die Künstlerin. Angesichts der Schlagzeilen: ein großes Ziel.

DIE AKTION

Dana Yahalomi ist israelische Perfomancekünstlerin, mit ihrer Gruppe ≥Public Movements„ recherchiert sie seit 2010 am Thema. Im Auftrag des steirischen herbst beauftragte sie drei PR-Agenturen in Österreich, Schweden und Holland, neue Kampagnen zu entwickeln. Das Publikum stimmt am Freitag in Graz über das Siegerprojekt ab.

Die Kampagne wird in einigen österreichischen Tageszeitungen publiziert und tourt durch Europa. Nächster Stopp: Malmö.

Rebranding European Muslims, Gala. Mit Avi Primor, Omar Al Rawi, dem Chor des Islamischen Kulturzentrums etc. am 28.9., 19.30 Uhr, Helmut-List-Halle, ab 23 Uhr: Konzert The Kominas Tickets: Tel. (0 31 6)81 60 70.

rebrandingeuropeanmuslims.com


JULIA SCHAFFERHOFER
wukonig.com