Kronen Zeitung - 30.09.2012

Nur ein Spiel auf der Metaebene

"Re-Branding European Muslims": Performance-Gala in der Grazer List-Halle



Mit einem durchaus mutigen, letztlich aber zum Scheitern verurteilten Projekt startete der "steirische herbst" am Freitagabend in den regulären Festivalbetrieb. Bei der Gala "Re-Branding European Muslims" in der Helmut-List-Halle wählte das Publikum eine neue Werbe-Kampagne zur Image-Aufbesserung der Muslime in Europa. Drei internationale Agenturen wurden vom israelischen Kollektiv Public Movement beauftragt, europäischen Muslimen einen neuen, positiven Anstrich zu geben.

? Am Würstelstand: Die Wiener Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann siegte mit ihrer Kampage, die Vertrautes und Fremdes im Schriftbild zusammenführt.

Das Amsterdamer Büro Metahavn konzipierte eine Internet-Kampagne, die muslim-feindliche Organisationen zum Ziel hat. Das Stockholmer Büro Love Tensta wollte eine Aktion starten, die Europäer dazu bringt, ihre Kinder Muhammed oder Fatima zu taufen. Die Publikumswahl gewann jedoch die Wiener Agentur Demner, Merlicek & Bergmann mit ihrer Strategie "Look Twice", die lateinische und arabische Typografien vereint und Plakate wie Zeitungen zum interkulturellen Bilderrätsel macht.

Public Movement untersucht Strukturen der öffentlichen Meinungsfindung nicht nur, sondern inszeniert diese auch. So handelte es sich bei dem Abend, weniger um eine Gala, als um die Performance einer Gala. Bei vielen Auftritten, Ansprachen und Präsentationen fragte man sich: Ist das alles ernst gemeint? Genau hier wird es brenzlig: Denn auf der Bühne und im Publikum waren Vertreter der muslimischen Gemeinschaften Österreichs, die, wie viele andere Europäer auch, an einem ernsthaften Diskurs interessiert gewesen wären. Dieser wurde jedoch einem Spiel mit der Metaebene geopfert. So hinterlässt die Gala trotz konzeptueller Stärke einen schalen Nachgeschmack von Künstlichkeit und Anmaßung und leider auch von Bedeutungslosigkeit.

Wie ein Backlash der Realität gestaltete sich der Auftritt der pakistanisch-amerikanischen Band "The Kominas" im Anschluss. Punkig-roh hämmerte sie ihre Songs raus. Kunst, Diskurs und Attitüde gingen hier jene Einheit ein, die die Gala nie erreichen konnte. Vielleicht wäre von vornherein Rock die Lösung gewesen.



CHRISTOPH HARTNER
wukonig.com