Der Standard - 13.06.2012
Occupy Steirischer Herbst
Die Welt ist im Umbruch, und der Steirische Herbst reagiert darauf.
Nichts wird heuer so sein, wie es immer war. Am Dienstag präsentierte
Intendantin Veronica Kaup-Hasler das Programm des Festivals, das heuer von 21.
September bis 14. Oktober stattfindet. Die Ereignisse der letzten Jahre, von der
Finanzkrise über Fukushima bis zum Arabischen Frühling und der Occupy-Bewegung,
gaben den Ausschlag dafür.
Der übliche Eröffnungsabend in der Helmut-List-Halle fällt aus. Stattdessen
startet man mit dem "Sieben-Tage/24-Stunden-Marathon-Camp"
Truth is
concrete. Rund um die Thalia und die Galerie Zimmermann Kratochwill kann man
mit über 150 Künstlern und Aktivisten " künstlerische Strategien in der Politik
und politische Strategien in der Kunst" erörtern. Kaup-Hasler: "Es gibt
Übernachtungsmöglichkeiten, für Essen ist gesorgt." Ein Teilnehmer ist Bogotás
Ex-Bürgermeister Antanas Mockus, der einst mit künstlerischen Interventionen die
Kriminalitätsrate und die Zahl der Verkehrstoten halbierte. Er entließ die
korrupte Verkehrspolizei und heuerte Pantomimen an.
"Die Wahrheit ist konkret" ist ein Brecht-Zitat, der damit Lenin zitierte,
der seinerseits Hegel zitierte. Die Krise des Kapitalismus und die
Demokratisierung ziehen sich durch das gesamte Programm. Die Haupt-Ausstellung
wird von den Pragern Zbynek Baladrán und Vit Havránek mit Camp-Künstlern
bestritten.
Auch der Großteil der Grazer Kunstinstitutionen ist dabei. Carlos Motta und
Oliver Ressler kuratieren etwa im Rotor die Schau
Absolute Democracy ,
das Forum Stadtpark lädt Literaten und Künstler zur Agitprop-Postsendung an
Grazer Haushalte ein. Das Ende des Festival markiert die Produktion
When the
Mountain Changed its Clothing von Komponist Heiner Goebbels und einem
Frauenchor aus Maribor.
Colette M. Schmidt