Falter - 17.10.2012

Warum ist dieses Plakat so unverständlich, Herr Hofmann?

Mediaforschung Verführungskolumne



Es gibt diese Regel in der Werbung, die besagt, ein Plakat müsse in ein bis zwei Sekunden verstanden werden. Kein anderes Medium hat weniger Zeit, eine Botschaft zu vermitteln; wer im Auto an den bunt bedruckten Werbeflächen vorbeirast, weiß, warum.

Im Rahmen des Steirischen Herbsts kamen Werber nach Graz, um für das Kunstprojekt "Rebranding European Muslims„ dem Islam in Europa ein neues Image zu verpassen. Die Vorschläge wurden einer Jury vorgelegt, als Sieger ging ein Werbesujet hervor, das die bewährte 2-Sekunden-Plakatregel völlig ignoriert.

Das Sujet stammt aus der Agentur Demner, Merlicek & Bergmann (DMB) und scheint auf den ersten Blick unverständlich. Die zwei Sekunden sind verflogen, noch bevor man sich am Kopf kratzen kann und die arabisch anmutende Plakatschrift zu enträtseln versucht. Erst wer sich mit dem Sujet auseinandersetzt, erkennt: Man kann es lesen. "Auf den ersten Blick scheint vieles unverständlich.„ Der Betrachter liest, was er gerade selbst erlebt hat.

"Unsere Kampagne soll die Menschen zum Nachdenken anregen„, sagt Creative Director Alexander Hofmann von DMB, "dazu, zweimal hinzusehen, das scheinbar Offensichtliche zu hinterfragen.„ Die Agentur verzichtete darauf, eine vorgefertigte Meinung über den Islam anzubieten und Muslime neu zu vermarkten. "Gebrandet werden Produkte, nicht Menschen„, sagt Hofmann. "Wir halten die Europäer für intelligent genug, sich ihr eigenes Bild jenseits der Populisten und des Boulevards zu machen.„

Bild: Creative Director Alexander Hofmann von Demner, Merlicek & Bergmann will mit dem Plakat zum Nachdenken anregen


Benedikt Narodoslawsky
wukonig.com