Kleine Zeitung - 26.09.2012

Entblößen und verschwinden



Wer um fünf Uhr früh halbwegs wach ist, hackelt entweder am Bau, hat ein plärrendes Kind zu Hause, einen Flug zu erwischen oder leidet an starken Schmerzen. In Graz ist derzeit dieses Phänomen zu beobachten: Kurz nach fünf verlassen Menschen mit tief ins Gesicht gezogenen Hauben die Thalia und erobern sich die Stadt. ≥Daybreak into the city„ nennen sich die Expeditionen für den steirischen herbst, kuratiert von Gabriela Hiti, Eva Hofer und Monika Klengel vom Theater im Bahnhof.

Dienstagfrüh sprengten zwei Frauen das Programm: Sasha und Inna Shevchenko. Die Ukrainerinnen sind Teil der Agitprop-Truppe Femen, praktizieren per Eigendefinition ≥Sexterrorismus„ und sagen: ≥Busen sind unsere Bomben, die Nacktheit unsere Uniform.„ In Paris haben sie soeben ein europäisches Femen-Trainingszentrum eröffnet. Nach ihrer provokanten, aber undurchschaubaren Performance in der Thalia fügte sich das Femen-Puzzle gestern für rund 50 Frühaufsteher oder Aufbleiber zusammen.

Im intimen Rahmen bei der erfahrenen Feministin Hermine Grabner de Luca zu Hause, wo Männer Sekt und Kaffee servierten, erzählten die Femen-Aktivistinnen, wie sie Opfer von Machtdemonstrationen werden, etwa durch Entführungen und Erniedrigungen durch den KGB, und wie sie die Macht im Gegenzug auf ihre Körper transformieren. Aggressiv, radikal, unerschrocken. ≥Wir haben es auf die friedliche Weise probiert, aber in unserem Land funktioniert das nicht.„ Femen finanziert sich großteils über Merchandising-Produkte, vier Mitglieder sind angestellt. 

Camp-Tipp für heute. Schwerpunkt: ≥Absolute Democracy.„ 20 bis 0 Uhr, Black/Cube/Thalia, truthisconcrete.org


JULIA SCHAFFERHOFER
wukonig.com