Die Presse am Sonntag - 23.09.2012

Gala in Graz mit islamischem Punk



Ein Imageprojekt für europäische Moslems beim >Steirischen Herbst<: Dana Yahalomi und Mariusz Jan Demner über ein heikles Branding, das nicht provozieren, sondern eine Debatte auslösen soll. @LR von Norbert Mayer

Ihr Projekt "Rebranding European Muslims", das bei einer Gala am kommenden Freitag im "Steirischen Herbst" vorgestellt wird, verwendet ein zwiespältiges Wort. Es bedeutet auch, dass ein Tier ein Brandmal erhält. War Ihnen bewusst, dass es auch um Stigmatisierung geht?

Mariusz Jan Demner: Ich halte Branding eigentlich für ein unangebrachtes Wort, wenn es um Menschen geht. Wir verwenden es für Produkte. Aber heutzutage gibt es eben auch menschliche Brands: Popstars, Künstler, auch Politiker. Wir dürfen es im Kontext mit dem Moslemthema also nicht ganz ernst nehmen. Dana Yahalomi: Ich interpretiere das anders. Bei den Vorstudien ging es mir um die Frage, was man durch Nation Branding über die Identität einer Gemeinschaft erfährt. In diesem Sinne kann Branding sehr effizient sein. Wir sagen nicht, dass wir eine neue Marke setzen, eher geht es uns um das Destabilisieren von existierenden Brandings und das Hinterfragen dieser Prozesse.

Wie weit steht dieses Projekt in der Tradition Ihrer Gruppe "Public Movement" aus Tel Aviv, die oft Aktionismus betreibt?

Yahalomi: Mit Branding beschäftigen wir uns jetzt seit zweieinhalb Jahren. Am Schock sind wir nicht interessiert, sondern am Auslösen von Debatten. Es reicht nicht, provokant zu sein. Zum Beispiel würde es einen orthodoxen Juden schon ärgern, dass ich meine nackten Schultern zeige. Da muss man konstruktiver sein.

Warum macht Ihre Agentur mit?

Demner: Weil es eine Herausforderung ist. Speziell reizt mich, im Pitch auf Leute aus Schweden und den Niederlanden zu stoßen. So etwas macht Spaß, und es ist auch gut für unser eigenes Branding. Wir dürfen halt nicht langweilen, wenn wir unsere Kampagne dort präsentieren.

Bei der Gala spielt eine islamische Punk-Band, "The Kominas". Sind die richtig gemein, wie es sich für echte Punks gehört? Worüber singen sie denn?

Yahalomi: Sie singen zum Beispiel "Scharia Law in the USA". Das war ihr größter Hit. Sie sind auch intensiv damit beschäftigt, den Islam zu rebranden. Sie brechen den alten Begriff auf, dass diese Art von Musik in ihrer Religion nicht erlaubt sei, sie zeigen, was es heißt, ein Moslem in den USA zu sein. Ob sie gemein sind? Ich mag sie, obwohl ich eigentlich kein Punk-Fan bin.

Was würden Sie der Band raten, wenn es um den Titel ihrer nächsten CD geht?

Demner: Vielleicht "Sex on Stage" da würden mehr Leute kommen.

Ist das Thema nicht auch ein Spiel mit dem Feuer? Und wer sind denn die Meister-Brander für solch eine Identität? Die Salafisten?

Yahalomi: Ich mache das Rebranden nicht selbst. Die Aktion soll auch nicht das Image des Islam ändern. Wir kommen bei einem öffentlichen Event zusammen, bei dem diverse Begriffe geklärt und Möglichkeiten sondiert werden sollen. Die Öffentlichkeit stimmt dann über die Konzepte ab. Es geht um europäische Moslems, also um Europa, nicht um Saudiarabien. Unsere Behauptung lautet: In 30 Jahren wird es hier in Österreich 20 Prozent Moslems geben. Was bedeutet das? Dieser offenen Frage wird heute schon mit sehr viel Angst begegnet. Wir bereiten sozusagen auch die Artillerie vor, um einen Umdenkprozess einzuleiten. Demner: Wir leben in einem Land, in dem es eine lange Tradition der Fremdenfeindlichkeit gibt. Hier besteht nun die Möglichkeit, durch dieses Projekt den Kontext genauer zu sehen. Wir haben bereits einige hunderttausend Moslems, aus dieser Tatsache schlägt zum Beispiel H.-C. Straches FPÖ populistisch politisches Kapital. Die Freiheitlichen bringen Parolen wie "Daham statt Islam". Bis zu einem Viertel der Bevölkerung ist für solche Codes und Signale empfänglich. Man kann damit spielen und den Leuten zeigen, dass mehr dahintersteckt, als sie sehen. Bei der Gala wollen wir signalisieren: Wenn Sie zweimal hinschauen, sehen Sie vielleicht etwas Konträres zum ersten Blick.

Vor hundert Jahren wurde unter Kaiser Franz Josef nach Bosniens Annexion wegen dessen großer moslemischer Bevölkerung der Islam im Habsburger Reich offiziell als Religion anerkannt. Wer hat dieses schöne Symbol für Ihr Branding gefunden?

Demner: Es gab nicht nur für Moslems diese Freiheit, sondern auch für Juden. Mit Joseph II. entwickelte sich Toleranz. Traurig ist, dass Moslems und Juden bei allen Differenzen in der gleichen Situation sind. Sie werden von den Übrigen als die Fremden angesehen. Yahalomi: Wien war immer das Tor zwischen Ost und West, die Habsburger hatten keine andere Chance, als den Islam anzuerkennen. Man kann das nicht trennen. Zwanzig Prozent Moslems in Österreich bedeutet in Konsequenz auf lange Sicht auch, dass auch ich zu 20 Prozent Moslem bin.

Was halten Sie von Toleranz?

Yahalomi: Ich bin dagegen, weil es bestehende Machtstrukturen stärkt, in der eine Mehrheit eine Minderheit "akzeptiert". Solche Beziehungsverhältnisse interessieren mich nicht. Man muss nicht in allem übereinstimmen. Ich warne vor allgemeinem Konsensus, denn diese Konzept hält einfach nicht. Demner: Der Begriff hat auch eine praktische Bedeutung, die ich mag. Handwerker und Techniker sprechen von Toleranz, die nötig ist, um etwas zusammenzufügen. Ohne Toleranz würden wir uns ständig aufreiben.

Was führen Sie als Verkaufsargument für die Moslems in Europa an? Wie wäre es mit "Seien Sie nett zu Ihrem jungen türkischen Nachbarn. Er wird Ihre Pension finanzieren"?

Sie können Leute nicht mit Argumenten überzeugen, die entscheiden nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Bauch. Um die Massen zu erreichen, muss man die Botschaft auf ganz simple Signale reduzieren, die sie erst verstehen müssen, um sie dann zu akzeptieren. Information muss man in unserer Branche in homöopathischen Dosen verabreichen. Unsere Kampagne wird wie ein Spiegel sein. Wer reinblickt, wird verstört oder überzeugt. Wir setzen auf einen Aha-Effekt. Wir zielen auf jene Indifferenten, die vielleicht ein zweites Mal nachdenken und ihren Standpunkt ändern.

Machen wir ein Experiment. Ergänzen Sie bitte meine Sätze: Ein Moslem zu sein, hat den Vorteil, . . .

Yahalomi: . . . dass man bald der größten Gruppe der Welt angehört. Demner: . . . kein Jude zu sein.

Eine Frau muss verschleiert sein . . .

Demner: . . . weil sie nur mir gehört. Kein anderer Mann sollte sie sehen! Yahalomi: Das ist keine muslimische Spezialität, das gibt es auch in anderen Religionen. @LU

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